Bei Menschen ist ein “Health Check” einfach: Man kann einer Person grob an ihrem Körper ansehen, wie fit sie ist. Aber wenden wir dies metaphorisch auf ein Team an, fällt es schwerer:
- Woher weiß ich, dass es dem Team nicht so gut geht?
- Es geht ja nicht nur darum, gesund zu sein, sondern fit. Wir möchten für die schwierigsten Herausforderungen gewappnet sein, unsere Muskeln müssen vor Kraft strotzen. Wie kann ich also die Fitness meines Teams erhöhen?
Arbeiten ist kein Hobby. Teams sind eher in gewisser Weise Leistungssportler. Leistungssportler haben eine*n Trainer*in – das ist bei Teams ihre Führungskraft, ein Scrum Master, Servant Leader.
Ein professionell gemanagtes Team sollte einerseits regelmäßig auf die Gesundheit überprüft werden. Und es sollte klare Metriken geben, nach denen man die eigene Fitness bemisst.
Denn eventuell denkst du, es geht dir gut. Aber die medizinische Analyse sagt dir: deine Adern sind verstopft. Bei mittleren Anstrengungen gibt es ein großes Risiko, dass dir etwas passiert.
Bist du ein professioneller Servant Leader? Dann solltest du dir die Vorteile eines regelmäßigen Team Health Checks zunutze machen.
Was ist ein Team Health Check
Ein Team Health Check ist eine regelmäßige Evaluierung der Gesundheit und Fitness deines Teams. Häufig wird er in Form einer Umfrage durchgeführt, wie zum Beispiel der Spotify Health Check. Er hat zwei Funktionen:
Der Team Health Check als Frühwarnsystem
Der Team Health Check kann schon frühzeitig sichtbar machen, dass das Team nicht so gesund ist, wie ihr denkt.
Wir bemerken z.B. durch den Health Check, dass viele unserer Meetings gar nicht so effizient laufen, wie wir dachten. Dass eine Hälfte des Teams eigentlich überhaupt keine Vorstellung über die wirklichen Bedürfnisse Kunden hat und noch nie mit ihm gesprochen hat.
"10 Herausforderungen mit nur einem Action Item zuvor kommen: Genau das kann ein guter Team Health Check."
Christian Heidemeyer, Psychologe
Hier halten uns gut ausgewählte Metriken Schwarz auf Weiß Dinge vor Augen, die wir als einzelnes Teammitglied leicht übersehen.
Der Team Health Check als Richtungsgeber
Ein Team Health Check kann auch als Richtungsgeber dienen. Lass es mich so erklären: Einige Teams, mit denen ich spreche, sagen: “Uns geht es gut. Wir arbeiten gut als Team zusammen. Wir brauchen keinen Team Health Check.”
Vielleicht kommt es sogar noch schlimmer und sie behaupten: “Unsere Retros funktionieren nicht mehr. Uns fallen keine Action Items mehr ein. Wir sind schon am Optimum angekommen.”
Retros sind einer der besten Indikatoren für den Reifegrad eines Teams. Und je höher der Reifegrad eines Teams, desto effektiver sind die Retros. Wenn man keinen Nutzen mehr aus Retros zieht, dann klingt dies eher danach, als ob man einen niedrigen bis mittleren Team-Reifegrad hat.
Hier kann also die zweite Funktion des Team Health Checks eine Rolle spielen. Er kann eine Richtung vorgeben: “Okay, wir sind zwar ein gesundes Team. Aber wir wollen mehr als das – – wir wollen Innovationstreiber werden! Nur, wie geht das? Was müssen wir tun, um innovativer zu werden?”
Ein gutes Team Health Check Template kann also dabei helfen, sich frische Ziele zu setzen und sie messbar zu machen. In “kontinuierliche Verbesserung” steht schließlich “kontinuierlich” – mit immer wieder neuen positiven Zielen.
Übrigens, für die Ungeduldigen unter euch: Ihr könnt auch vorgefertige Team Health Checks nutzen. Die folgende Health Check Retrospektive zum Beispiel ist zum Thema „Teamgeist“. Schaut gerne mal rein, wie unsere Health Check Retros funktionieren (kein Login erforderlich:
Hinweis: Bei diesem Format wird die Zustimmung zu den Health Check-Items auf einer Skala abgefragt.
- Wertschätzung: Wir wertschätzen die Leistungen und Beiträge unserer Kolleg*innen.
- Teamgeist: In unserem Team herrscht ein vertrauensvolles Arbeitsklima.
- Transparenz: In meinem Team weiß jede*r, wer gerade an was arbeitet.
- Erholung & Pausen: Ich habe genug Raum für Pausen, in denen ich neue Energie schöpfen kann.
- Meeting-Kultur: Unsere Meetings sind gut strukturiert und lassen trotzdem Raum für Kreativität und Neues.
- Unterstützung: In meinem Team gibt jedes Teammitglied sein individuelles Wissen und seine Erfahrungen weiter.
3 Schritte für die Entwicklung eures Health Checks
Ob gesund oder nicht gesund – welche Ziele kann man sich als Team setzen?
Beim Körper ist es wieder einfacher: Wir wissen, dass das Herz und das Gehirn eine zentrale Rolle für den gesunden Körper spielen. Wir wissen, wenn wir einen Marathon laufen müssen, können wir Höhentraining machen, um uns vorzubereiten.
Welche “Organe” in der Teamdynamik haben eine ähnliche Relevanz wie das Gehirn und das Herz? Was ist das Höhentraining in der Teamentwicklung?
Als Psychologe kann ich sagen: Auch die “psychologischen Organe” eines gesunden Teams sind sehr gut untersucht. Allerdings ist die Analyse ihres Zusammenspiels im Team häufig komplex – ähnlich wie die Analyse der Wirkungsketten bei neuartigen Medikationen. Die Herausforderung in Teams ist, dass die einzelnen “Zellen der Organe” – also die Teammitglieder – einen eigenen Willen und Entscheidungsfreiheit haben. Mist.
Um es dir einfach zu machen: Wir haben einige Merkmale eines psychologisch gesunden Teams in unserem kostenlosen Health Check Builder festgehalten – mehr dazu unten. Falls du in Tiefe in das Thema “Teampsychologie” einsteigen willst, empfehle ich dir mein eBook 12 Schritte zum Team Mindset Change.
Ihr fangt bei Null an mit eurem Team Health Check? Dann gibt es drei Schritte, die ihr in einem Workshop durchführen könnt, um einen Health Check zu entwickeln, der euch auf ein neues Level hebt.
Schritt 1: Ein Ziel setzen
Der erste Schritt bei der Entwicklung eines wirksamen Health Checks liegt darin, sich gemeinsam im Team ein Ziel zu setzen. Wo möchten wir uns denn überhaupt verbessern?
Dies kann ein konkretes Ziel sein, wie eine bestimmte Kennzahl zu erreichen. Es darf aber auch ruhig ein abstraktes Ziel sein, das nicht nach der SMART Regel formuliert ist.
Das Ziel kann auf einer höheren, abstrakten Ebene liegen. Es kann aber auch eine Ebene tiefer sein, ein Zwischenschritt quasi, der bei der Vorbedingung des eigentlichen Ziels ansetzt.
Zum Beispiel möchte ich zwar grundsätzlich die Innovationsfähigkeit meines Teams steigern. Ich weiß aber, dass ich noch sehr am Anfang stehe und im Team noch keine richtige psychologische Sicherheit herrscht. Dann sollte mein Ziel lieber auf dieser Ebene liegen.
Falls es bei euch kein offensichtliches Ziel gibt, empfehle ich in dem Team Health Kick-Off Workshop ein oder mehrere Fragen in den Raum zu stellen:
- Welches Ziel möchten wir uns setzen, wo möchten wir besser werden?
- Optional als Starter, falls du mehr Input brauchst
- Was macht aus eurer Sicht ein gutes Team aus?
- Was ist gerade unsere größte Herausforderung? Was nervt uns aktuell am meisten?
Letztere Fragen liefern gutes Futter, um darauf basierend ein motivierendes Zwischenziel festzulegen.
Zum Beispiel merkt ihr, dass ihr immer wieder sehr kritisches Feedback vom Kunden zu euren Features bekommt. Das schmerzt. Euer Ziel ist also: Wir möchten kundenorientierter arbeiten.
Schritt 2: Die Vorbedingungen eures Ziels verstehen
Das Team ist also sehr motiviert, kundenorientierter zu arbeiten. Ihr könntet jetzt regelmäßig in einem Team Health Check abfragen: “Wir sind ein kundenorientiertes Team.” Würde euch das helfen? Wahrscheinlich nicht allzu sehr.
Hier kommt die zweite Funktion des Team Health Checks ins Spiel: Richtungsgeber.
Was wäre, wenn im Team Health Check auch regelmäßig die Vorbedingungen von einem kundenorientierten Team abgefragt werden würden? Erst dann würde er einen signifikanten Effekt auf euer Teamverhalten haben! Er würde als Richtungsgeber dienen.
Genau dies solltest du also im zweiten Schritt gemeinsam mit deinem Team erarbeiten und in eurem Team Health Check Kick-Off Workshop reflektieren:
- Was müssen wir tun, um kundenorientierter arbeiten zu können? Was sind unsere größten Baustellen?
- Welche Eigenschaft kennzeichnen ein Team, das extrem kundenorientiert arbeitet?
Wenn ich im 100 Meter Sprint besser werden möchte, kann ich auch zuerst darauf fokussieren, meine Oberschenkel-Muskulatur zu trainieren. Welche Team-Muskeln müssen wir also trainieren, um kundenorientierter zu sein?
Zum Beispiel könntet ihr in eurem Workshop auf folgende Vorbedingungen kommen:
- Agilität: Wahrscheinlich solltet ihr besser verstehen, wie eigentlich die agilen Methoden vorschreiben, mit dem Kunden zu kommunizieren.
- Aufnahme in euren Team Health Check: Wir wissen genau, wie uns agile Methoden dabei helfen, kundenorientiert zu arbeiten.
- Kommunikation: Jedes Teammitglied sollte den Kunden möglichst persönlich einmal von seinem Schmerz berichten hören.
- Aufnahme in euren Team Health Check: Ich habe regelmäßig Kontakt zu den Menschen, die von meiner Arbeit profitieren.
- Messbarkeit: Ihr solltet möglichst neutral und standardisiert Feedback einholen, wie zufrieden der Kunde ist.
- Aufnahme in euren Team Health Check: Wir haben hilfreiche Metriken, mit denen wir den Erfolg unserer Arbeit sichtbar machen.
- Priorisierung von Tasks: Die Priorisierung von Tasks sollte so erfolgen, dass für den Kunden regelmäßig kleinere Verbesserungen und somit Erfolgserlebnisse erfolgen.
- Aufnahme in euren Team Health Check: Die Priorisierung von Tasks erfolgt gänzlich im Interesse unserer Kunden.
Ergänzt habe ich bei diesen einfachen Beispielen jeweils direkt, wie ihr sie in euren regelmäßigen Health Check übernehmen könntet.
Genau dies sollte nämlich am Ende dieses Workshop-Teils passieren: Ihr habt klare Aussagen, die ihr in euren Health Check übernehmen könnt. Diese müssen nicht perfekt formuliert sein – am wichtigsten ist, dass sie euch regelmäßig als Diskussionsgrundlage dienen können.
Theoretisch könnt ihr ruhig zwischen 6 und 15 verschiedene Aussagen bzw. Items haben, die auf euer übergeordnetes Ziel “Kundenorientierung” einzahlen.
Schritt 3: Kontinuierliche Verbesserung
Die entwickelten Health Check Items (bzw. Aussagen, siehe oben) sollten nicht einmal im Quartal, sondern eher kontinuierlich reflektiert werden.
Zum Beispiel könnt ihr jeweils drei Items in euren Retros bewerten und reflektieren. Bei 12 Items, die rotieren, würdet ihr so nach 4 Retros wieder zu den gleichen 3 Items zurückkehren, mit denen ihr angefangen habt.
Entsprechend würde dann nach 4 Sprints zum ersten mal sichtbar werden, ob ihr euch schon verbessert habt. Genau so funktioniert übrigens unser Teamentwicklungs-Tool Echometer – mehr dazu auf unserer Website.
Der kostenlose “Team Health Check” Baukasten
Wir haben für euch ein kostenloses Tool entwickelt, dass euch dabei hilft, gute Ziele und gute Vorbedingungen für eure Ziele zu identifizieren. Den Zugang findet ihr unten.
Es ist etwa so aufgebaut wie der soeben beschriebene Workshop:
- Im ersten Schritt wählst du dein Ziel aus – das sieht etwa so aus.
- Dann wählst du von uns vorgeschlagene Vorbedingungen für das entsprechende Ziel aus. Unsere Vorschläge wurden auf Basis von psychologischen Studien und in Zusammenarbeit mit Praktikern entwickelt.
- Dieser Schritt ist zentral: Wenn du fertig bist, lädst du deine Teammitglieder ein, das Tool ebenfalls einmal für 3 Minuten auszufüllen – also aus ihrer Sicht ein Ziel und Vorbedingungen für euer Team auszuwählen.
Die Partizipation deiner Teammitglieder ist hier natürlich deshalb wichtig, weil sie sich erst so wirklich von dir abgeholt fühlen. Erst jetzt stehen sie voll hinter den Ergebnissen eures Health Checks und sind bereit, diesen regelmäßig durchzuführen. - Reflektiert und entscheidet gemeinsam auf Basis eurer Ergebnisse, welche der Items ihr regelmäßig in einem Team Health Check messen möchtet. Dieser Schritt wird von unserem Tool mit einer Grafik unterstützt, siehe hier:
Passt die Items ggf. an euer Team an oder ergänzt weitere Faktoren bzw. Aussagen, die in unserem Tool noch nicht enthalten sind.
Der Health Check Builder kann also ein super Startpunkt sein, um dein Team weiterzuentwickeln. Hier hast du einen direkten Zugang:
Der wichtigste Schritt beim Team Health Check
Team Health Checks haben nur dann einen wirklichen Wert, wenn man über die Ergebnisse mit einem Arzt zu spricht. Wer ist das in agilen Teams? Naja, sie sind selbstorganisiert. Das heißt, im besten Fall versuchen sie zunächst, ihre Herausforderungen selber zu lösen. Der Health Check ist Hilfe zur Selbsthilfe.
Der beste Ort, um diese “Selbstverantwortung” des Teams zu trainieren, ist die agile Retrospektive. Ich empfehle also wärmstens, den Health Check kontinuierlich mit in die Retro zu nehmen und die Ergebnisse kontinuierlich zu reflektieren.
Vielleicht fragt ihr euch auch, was eigentlich ist, wenn ihr euer Ziel erreicht habt. Kurz gesagt: Dann solltet ihr diesen Erfolg feiern. Und am besten noch einmal gemeinsam feierlich nachvollziehen, wie ihr dort hingekommen seid.
Wenn man sich z.B. vergangene Retros anschaut und als Team realisiert, welche Probleme man noch vor einigen Monaten hatte, kann das einen sehr positiven Effekt auf die Selbstwirksamkeit von Teams haben – und das agile Mindset stärken!
Und dann geht es natürlich weiter: Was ist die nächste Ebene, das nächste Ziel, das wir uns setzen? Was sind die Vorbedingung für dessen Erreichung? Der gesamte Prozess wird also wiederholt. Kontinuierliche Verbesserung.