Im Unternehmen steht Veränderung an – heutzutage nahezu immer. Widerstand – Change Management? Mit Veränderung geht auch der Widerstand von Mitarbeitenden einher. Wie sollte man Widerstand verstehen und was kann man dagegen tun? Dieser Artikel gibt einen kurzen Überblick.
Widerstand – Change Management: Definition
Widerstand – Change Management: Was ist das eigentlich genau? Allgemein wird unter dem Begriff Widerstand das Sich widersetzen gegenüber einer bestimmten Sache bezeichnet. Widerstand kann sich in unterschiedlichen Formen abbilden. So kann Widerstand beispielsweise passiv oder aktiv bzw. verbal oder nonverbal sein.
Nehmen wir als Beispiel die Muster AG, ein eher konservatives Produktionsunternehmen, mit 400 Mitarbeitenden. Sie sieht sich aufgrund des sich verändernden Marktumfelds und aus Employer Branding Gründen dazu gezwungen, sich stärker zu digitalisieren.
Einer der größten Schritte ist die Einführung der Microsoft Suite. Die Reaktion der Mitarbeitenden, als sie das hören: “Nicht noch ein Tool. Nicht schon wieder.”
Gehen wir einmal die verschiedenen Reaktionstypen anhand des Beispiels durch:
Widerstand (aktiv & verbal):
Die Mitarbeitenden leisten Widerspruch gegen die Einführung der Microsoft-Suite. Die Meinung wird verbal geäußert und das Verhalten ist mit den eigenen Einstellungen und Meinungen konform.
Aufregung (aktiv & nonverbal):
Mitarbeitende im Unternehmen regen sich zwar auf, äußern dies aber nicht verbal.
Ausweichen (passiv & verbal):
Die Mitarbeitenden versuchen der Thematik auszuweichen. Andere, unwichtige Themen werden beispielsweise sehr viel stärker thematisiert als nötig.
Lustlosigkeit (passiv & nonverbal):
In diesem Fall reagieren die Mitarbeitenden der Muster AG mit einem Motivationsverlust, was wiederum Auswirkungen auf ihre Leistung hat.
In der folgenden Grafik sind verschieden Ausdrucksformen des Widerstands zusammenfassend dargestellt.
Widerstand – Change Management: Rahmenbedingungen
Widerstand begünstigen
Widerstand kann durch verschiedene Aspekte begünstigt werden. Genauer gesagt, können bestimmte Umstände das Entstehen von Widerstand fördern.
- der Nutzen des Changes wird generell angezweifelt
- situationale Attribution für das Scheitern
- dispositionale Attribution für das Scheitern
Das klingt jetzt im ersten Moment sehr abstrakt. Lasst uns die drei Punkte wieder anhand unseres Beispiels erläutern.
zu 1 – der Nutzen des Changes wird generell angezweifelt
Anna, Mitarbeiterin der Muster-AG, hat bisher immer mit der G-Suite gearbeitet und war sehr zufrieden. Sie kann nicht nachvollziehen, was eine Umstellung auf die Microsoft-Suite für einen Vorteil hätte. Sie zweifelt also den Nutzen der Umstellung im Allgemeinen an.
zu 2 – situationale Attribution für das Scheitern
Anna ist der Meinung, dass die Einführung der Microsoft-Suite nicht zu diesem Zeitpunkt vollzogen werden sollte. Da in der letzten Zeit sehr viele Umbrüche im Unternehmen festzustellen waren, wie zum Beispiel die Umstellung auf Homeoffice durch Corona, bezweifelt sie, dass in diesem Moment eine weitere Neuerung angemessen und sinnvoll wäre.
zu 3 – dispositionale Attribution für das Scheitern
Anna kann sich nicht vorstellen, dass Herr Köchin (Führungskraft), der den Change initiiert hat, ausreichende Kompetenzen besitzt, um diesen im Unternehmen zu realisieren. Sie zweifelt also nicht grundsätzlich an der Einführung der Microsoft-Suite, sondern an den persönlichen Merkmalen des Verantwortlichen, wie in diesem Falle beispielsweise an der mangelnden sozialen Kompetenz Herr Köchins.
Widerstand vorbeugen
Widerstand kann auf der anderen Seite durch verschiedene Bedingungen reduziert werden und die Bereitschaft für den Change im Gegenzug gesteigert werden. Diese vier Bedingungen sind:
- hoher persönlicher Nutzen
- Angemessenheit des Wandels
- Unterstützung der Mitarbeitenden
- Selbstwirksamkeit der Mitarbeitenden
Auch hier wollen wir die verschiedenen Aspekte anhand unseres Beispiels genauer erläutern.
zu 1 – hoher persönlicher Nutzen
Anna weiß, dass durch die Umstellung auf die Microsoft-Suite die Integration der Termine aus ihrem Email Postfach in ihren Kalender automatisiert wird. Dies wird ihr viel Arbeit ersparen und Fehlkoordinationen können leichter vermieden werden.
zu 2 – Angemessenheit des Wandels
Anna ist sich darüber im Klaren, dass die Konkurrenz die nötigen Schritte im Zuge der Digitalisierung bereits getätigt hat und sieht es daher als logisch und notwendig an, die Umstellung auf die Microsoft-Suite ebenfalls zu vollziehen.
zu 3 – Unterstützung der Mitarbeitenden
Anna fühlt sich während des gesamten Change-Prozesses gut durch die Führungskraft unterstützt. Diese Unterstützung wird durch angebotene Seminare zur Microsoft-Suite und auch durch persönliche Gespräche realisiert.
zu 4 – Selbstwirksamkeit der Mitarbeitenden
Anna ist der Überzeugung, dass ihre eigenen Fähigkeiten ausreichen, um den Wandel erfolgreich durchzuführen. Sie hat das Gefühl, dass ihre eigene Handlung auch eine Wirkung zeigen wird – ihre Selbstwirksamkeit also hoch ist. Die Selbstwirksamkeit ist deshalb hoch, weil sie bei bisherigen entsprechenden Veränderungen häufig positives Feedback über ihre Rolle und Lernfähigkeit erhalten hat.
Widerstand – Change Management: Commitment to Change
Die Widerstand-Prävention, also das Schaffen der zuvor erläuterten Rahmenbedingungen, gelingt vor allem dann gut, wenn die Mitarbeitenden sich in ihrem Arbeitsumfeld wohl und geschätzt fühlen. Ist dies der Fall, so ist das Commitment, also die Bindung und Zugehörigkeit an das Unternehmen, meist höher.
Commitment ist im Zusammenhang mit Change-Prozessen ein wichtiger Einflussfaktor. Es hat einen Einfluss darauf, wie ein Individuum die Gesamtheit bzw. einzelne Aspekte bewertet. Das Commitment kann also auch einen Einfluss auf die Bewertung des Changes haben.
Als mehrdimensionales Konstrukt setzt sich Commitment aus aus drei verschiedenen Komponenten zusammen, die im Folgenden etwas genauer unter die Lupe genommen werden. Es gibt das affektive, das normative und das kalkulatorische Commitment.
Affektives Commitment: Das affektive Commitment schließt die emotionale Komponente eines Menschen mit ein. Die Zugehörigkeit zum Unternehmen wird als positiv wahrgenommen und möchte daher aufrechterhalten werden. Auf den Change bezogen bedeutet das, dass dieser als nützlich und notwendig angesehen und folglich unterstützt wird.
Anna arbeitet seit 21 Jahren bei der Muster AG. Sie hat ihre Kolleg*innen sehr ins Herz geschlossen und fühlt sich in ihrem Team einfach wohl. Einmal bekam sie sogar wegen eines Pflegefalls einen Monat frei, obwohl es juristisch nicht notwendig gewesen war. Sie fühlt sich affektiv bzw. emotional sehr mit dem Unternehmen verbunden und zeigt daher eine größere Bereitschaft, beim kommenden Change mitzugehen.
Normatives Commitment: Das normative Commitment basiert stark auf dem Gefühl der Verpflichtung. Dieses kann beispielsweise entstehen, wenn das Unternehmen die Ausbildungskosten für einen Mitarbeitenden übernommen oder für Weiterbildungen gesorgt hat. Der Mitarbeitende möchte dem Unternehmen nach dem so genannten Reziprozitätsprinzip etwas zurückgeben, was, auf den Change bezogen, eine Mitwirkung am Change bedeutet.
Johannes hat vor 3 Jahren angefangen bei der Muster AG zu arbeiten. Er hat zu Beginn gefragt, ob finanzierte Weiterbildungen parallel zu seiner Stelle möglich wären – was bejaht wurde. Seit zwei Jahren hat Johannes nun immer wieder angefragt, ob er an verschiedenen Seminaren teilnehmen darf, was aus Kostengründen verneint wurde. Nun ist im Rahmen des Changes mit großen Veränderungen und Ausgaben zu rechnen. Dies macht Johannes etwas wütend. Er hat kein Interesse daran den Change zu unterstützen, da die Muster AG bisher keine Bereitschaft gezeigt hat, ihn bei seinen Weiterbildungen zu unterstützen.
Kalkulatorisches Commitment: Das kalkulatorisches Commitment ist stark durch die Wahrnehmung möglicher Kosten geprägt. Es gilt negative Konsequenzen bestmöglich zu vermeiden und die Kosten gering zu halten. Im Change Prozess wäre einem Mitarbeitenden mit kalkulatorischem Commitment das Risiko, sich zu widersetzen, zu hoch.
Luisa von der Muster AG ist von dem anstehenden Change nicht überzeugt. Aufgrund mangelnder beruflicher Alternativen und dem Verlust verschiedener Vorzüge, wie ihrer Betriebsrente, unterstützt sie den Change Prozess dennoch.
Alle Komponenten des Commitments haben zur Folge, dass der Widerstand reduziert und der Change von den Mitarbeitenden mitgetragen und unterstützt wird. Das affektive und das normative Commitment sind jedoch die erstrebenswertesten Komponenten, da diese auch eine hohe Arbeitsleistung zur Folge haben.
Es wird deutlich, dass das Commitment grundsätzlich ein wichtiger Ansatzpunkt im Change-Prozess ist.
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Widerstand – Change Management: Umgang mit Widerstand
Es kann auf verschiedene Arten mit Widerstand umgegangen werden. Kotter und Schlesinger haben 2013 in ihrer Veröffentlichung verschiedene Ansätze zum Umgang mit Widerstand thematisiert.
John P. Kotter ist unter anderem auch für sein 8-Phasen-Modell des Change Prozesses bekannt. Unter diesem Link könnt ihr mehr zu dem Thema erfahren. Ein weiteres bekanntes Phasenmodell ist das von Kurt Lewin.
Kotter & Schlesinger bringen fünf Ansätze zum Umgang mit Widerstand an, die wir jetzt etwas genauer unter die Lupe nehmen wollen.
Offfene Kommunikation
Beginnen wir mit der offenen Kommunikation. Sind die Gründe für den Wandel für die Mitarbeitenden nicht klar ersichtlich oder wurden diese nicht richtig verstanden, so ist es in jedem Fall sinnvoll, nochmal näher mit den Mitarbeitenden zu sprechen, um etwaige Unklarheiten aus dem Weg zu räumen und die Bereitschaft für den Change so zu stärken.
Partizipation
Darüber hinaus kann auch eine Partizipation der Mitarbeitenden zielführend sein. Der Einbezug von Personen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit ein aufständisches Verhalten zeigen würden, gibt diesen das Gefühl von Mitbestimmung. Die Mitarbeitenden erhalten das Gefühl aktiv am Change mitwirken zu können und die Veränderungen zum Teil mitzuplanen. Eine relativ “extreme” aber grundsätzlich sehr empfehlenswerte Methode, die einen Schwerpunkt u.a. hierauf legt ist “Open Space Agility”. Für mehr Infos dazu siehe hier.
Unterstützung der Mitarbeitenden
Haben die Mitarbeitenden nach bzw. während der Umsetzung des Changes Probleme, sich an die Neuerungen anzupassen, so kann die Unterstützung der Mitarbeitenden Widerständen entgegenwirken. Diese schließt sowohl eine fachliche als auch eine emotionale Unterstützung ein.
Verhandlung
Ein anderer Umgang mit Widerstand kann auch die Verhandlung mit den Mitarbeitenden sein. Es wäre beispielsweise denkbar, Veto-Rechte für bestimmte Aspekte im Change-Prozess zu gewähren.
Druck und Machtausübung
Ein letzter möglicher Weg des Umgangs ist die Reduktion des Widerstands über Druck und Machtausübung. Unter zeitlichem Druck und einer schnellen Durchsetzung des Changes, kann ein solcher Ansatz gewählt werden – in heutigen Unternehmenskulturen raten wir stark davon ab, zu einer solchen Methode zu greifen.
Ted Talk – Six keys to leading positive change
Rosabeth Moss Kanter diskutiert in diesem Ted Talk den Veränderungsprozess, der die Welt ein Stück weit verändern kann. Anhand von Praxisbeispielen arbeitet sie sechs Schlüsselfaktoren heraus, die ihrer Überzeugung nach zu einem positiven Change-Prozess führen.
Widerstand – Change Management: Fazit
Die obige Ausführung macht deutlich, dass Widerstand im Change-Prozess eine wichtige Komponente ist. Ein Unternehmen sollte sich im Klaren darüber sein, dass Change verschiedene Erscheinungsformen haben kann und worin Widerstände begründet sind. Ist diese Klarheit gegeben, so haben Change Manager oder aber auch die geschäftsführenden Personen die Möglichkeit, angemessen auf Widerstände zu reagieren und diese aufzulösen bzw. im besten Fall präventiv zu verhindern.
Die Muster AG hat es übrigens erfolgreich geschafft, ihre Mitarbeitenden einzubinden und erste Erfolgserlebnisse in den Teams mit der Microsoft-Suite zu schaffen!
Quellen:
- Albrecht, S. (2000). Measuring Cynicism Toward Organizational Change — One Dimension or Two?. Journal of applied measurement, 9(4), 374-386.
- Dudenredaktion (Hrsg.).(o.J.). Widerstand. Duden online. Abgerufen von https://www.duden.de/rechtschreibung/Widerstand
- Holt, D., Armenakis, A., Field, H.,& Harris, S. (2007). Readiness for Organizational Change: The Systematic Development of a Scale. The Journal of Applied Behavioral Science, 43(2), 232-255. doi: 10.1177/0021886306295295
- Lauer, T. (2010). Change Management: Grundlagen und Erfolgsfaktoren. Berlin Heidelberg: Springer-Verlag.
- Bouckenooghe, D. & Minbashian, G. (2014). Herscovitch and Meyer’s Three-Component Model of Commitment to Change: Meta-Analytic Findings. European Journal of Work and Organizational Psychology. 24. doi: 10.1080/1359432X.2014.963059.