Agilität ist wie ein Trainer für die Champions League. Hast du Agile einmal auf allen Ebenen deiner Organisation integriert, spielst du ganz oben mit. Du bist näher am Kunden, erkennst Fehler früher, bist flexibel und verfügst über ein Team, das sich selbst organisiert. Das Ergebnis: Du lieferst schneller bessere Ergebnisse ab.
Wie aber weißt du, wie weit fortgeschritten der agile Reifegrad in deinem Unternehmen ist? Oftmals haben Organisationen bereits Schulungen zu Agilität belegt und Agile in einzelnen Abteilungen implementiert. Sie wissen jedoch nicht, wie hoch ihr agiler Reifegrad liegt. Das stellt sie vor eine Herausforderung: Wo sollen sie ansetzen, um weiter an der Agilität zu arbeiten, wenn sie nicht wissen, wie agil sie bisher arbeiten?
Hier kommt eine agile Reifegradmessung ins Spiel. Mit ihr kannst du den agilen Reifegrad deines Unternehmens bestimmen und so die Agilität bewerten. Ich zeige dir, mit welchen Modellen du den agilen Reifegrad misst – und wo du für eine Steigerung der Agilität ansetzen kannst.
Was ist der agile Reifegrad?
Der agile Reifegrad verrät dir, wie agil die Arbeitsweisen in deinem Unternehmen sind. Er legt offen, wie lernfähig und lernwillig Mitarbeiter und Teams in deiner Organisation sind. Du hast das Maximum des agilen Reifegrads erlangt, wenn alle Organisationsebenen die agile Arbeitsweise verstanden, akzeptiert und implementiert haben.
Um den agilen Reifegrad zu messen, spielen vor allem die Indikatoren
- agile Werte,
- agile Events,
- Kundenorientierung,
- Team-Autonomie und
- Planung
eine entscheidende Rolle.
Vor welchen Herausforderungen stehen Unternehmen bei der agilen Transformation?
Du bist nicht allein. Viele Unternehmen in Deutschland (und der Welt) suchen gerade nach effizienten Wegen, um ihre agile Transformation voranzutreiben. Eine Studie hat dazu kürzlich ermittelt, womit sich Unternehmen dabei besonders schwertun. Dabei fand sie heraus, dass Unternehmen vor allem bei der Anpassung ihrer Arbeitskultur, dem Zusammenspiel zwischen agilen und traditionellen Vorhaben und der bereichsübergreifenden Zusammenarbeit Probleme haben.
Studie: Agile Pulse 2020 – die Agilitätsstudie von BearingPoint
Wie du den agilen Reifegrad misst
Um den agilen Reifegrad zu bestimmen, stehen dir am Markt verschiedene agile Reifegradmodelle zur Verfügung. Bevor du dich für eines der Modelle entscheidest, sollten wir einen Blick darauf werfen, was ein agiles Reifegradmodell können muss, damit du daraus wichtige Schlüsse ziehen kannst.
Was muss ein agiles Reifegradmodell können?
Es gibt keine einheitliche oder wissenschaftliche Basis, um zu bestimmen, was ein agiles Reifegradmodell können muss. Um uns der Frage zu nähern, können wir jedoch einen Blick auf den Zweck eines Reifegradmodells für Agilität werfen.
Agilität soll dir helfen, die Geschäftsziele zu erreichen. Jedes Unternehmen hat jedoch unterschiedliche Ziele. Das bedeutet: Die jeweiligen Aspekte von Agilität sind in jeder Organisation unterschiedlich weit ausgeprägt. Das heißt für die Praxis: Ein agiles Reifegradmodell sollte einen so allgemeingültigen Ansatz verfolgen, dass es unabhängig von Geschäftszielen und dem Fortschritt der agilen Transformation den agilen Reifegrad eines Unternehmens fördern kann.
Die meisten Agile Coaches drehen sich im Kreis…
…und behandeln oberflächliche Symptome. Es wird Zeit, die Psychologie zu nutzen – für einen nachhaltigen Mindset Change.
„Wir entdecken zu viele unerwartete Probleme und Bugs zu einem späten Zeitpunkt!“
„Warum brauche ich manchmal Stunden, um eine einfache Retrospektive vorzubereiten?“
Daraus folgt auch: Es hat wenig Sinn zu fragen, wie viel agiler ein anderes Unternehmen ist oder zu wie viel Prozent eine Organisation agil ist. Entscheidend ist einzig und allein, wie zufrieden Kunden, Mitarbeiter und Stakeholder sind. Ein agiles Reifegradmodell sollte daher ausschließlich ein Mittel sein, um Zufriedenheit und den dazu gewünschten Geschäftswert herzustellen.
Wir haben übrigens ein kleines (2 Minuten) Agile Maturity Assessment entwickelt, das dabei hilft, die eigenen Prioritäten im Rahmen der agilen Transformation zu hinterfragen. Es lässt sich vom gesamten Team ausfüllen und enthält sogar einen Benchmark – viel Spaß.
Welche Modelle zur agilen Reifegradmessung gibt es?
Um den agilen Reifegrad zu messen, stehen dir diese 4 Modelle zur Auswahl:
1. Modul zur Reifegradmessung der Agilität (Great Place to Work)
Das international tätige Forschungs- und Beratungsinstitut „Great Place to Work“ hat das sogenannte Modul zur Reifegradmessung der Agilität entwickelt. Dies gliedert sich in die beiden Dimensionen Kultur und Prozesse. Die beiden Dimensionen teilen sich wiederum in jeweils 4 Gestaltungsbereiche auf:
a) Kultur
Die Kultur am Arbeitsplatz beeinflusst, wie Prozesse im Unternehmen funktionieren. Neben Faktoren, die die Mitarbeiterzufriedenheit bestimmen, sind die folgenden Kriterien wichtig für einen hohen agilen Reifegrad:
Quelle: Studie_Kulturwandel_in_der_digitalen_Transformation_messen_und_gestalten.indd (hubspot.net)
b) Prozesse
Wie Unternehmen Prozesse gestalten, hat einen entscheidenden Einfluss darauf, wie agil sie arbeiten können. Das Ziel für Prozesse ist es daher, Transparenz von Informationen zu schaffen, Autonomie in Teams zu generieren und die Innovationsbereitschaft von Mitarbeitern zu steigern:
Quelle: Studie_Kulturwandel_in_der_digitalen_Transformation_messen_und_gestalten.indd (hubspot.net)
Unternehmen sollen bei diesem agilen Reifegradmodell schnell erkennen, wo sie handeln können, um agiler zu arbeiten. Das soll ihnen konkrete Impulse geben, wo sie für eine Weiterentwicklung ansetzen können.
2. New Work Transformation Model (Trafo)
Das New Work Transformation Model – oder kurz Trafo-Modell – soll dir Orientierung und Ziele auf dem Weg zu einer höheren Agilität verschaffen. Besonders relevant stuft das Modell dabei die Autonomie und die Haltung im Unternehmen ein.
Um die Agilität im Unternehmen zu bewerten, musst du das Trafo-Modell im Gespräch mit Team-Kollegen und entscheidenden Stakeholdern einsetzen. Zum Start schaust du dir die Legende auf der rechten Seite der untenstehenden Grafik an. Wenn du diese verinnerlicht hast, kannst du dich den Feldern auf der linken Seite widmen und diese im Uhrzeitersinn abarbeiten. Dabei solltest du dich vor allem an konkreten Situationen im Arbeitsalltag orientieren und herausarbeiten, wie ihr in deiner Organisation Entscheidungen trefft. Je weiter außen im Kreis du dein Unternehmen einordnen kannst, desto weiter fortgeschritten ist euer agiler Reifegrad.
Quelle: New Work Trafo Model: Agile Reife bewerten – Me & Company (me-company.de)
3. Agility Health Radar
Das Agility Health Radar verwendet Online-Formulare, um die Kriterien
- Leistung,
- agile Kultur,
- Grundwerte,
- agile Führung und
- Klarheit von Teams
zu bewerten. Mitarbeiter müssen die Formulare mit verschiedenen Fragen ausfüllen. Aus diesen Angaben generiert das Modell Daten, die Rückschlüsse auf den agilen Reifegrad einer Organisation möglich machen. Auf diese Weise sollst du vor allem Potenziale in Teams aufdecken können.
Es gibt noch 14 andere populäre Agile Health Radare – schaut gerne mal in unseren Artikel dazu.
4. Echometer
Wir möchten dir in diesem Rahmen auch unser agiles Reifegradmodell vorstellen. Einer der Kerngedanken, wie du in der Grafik siehst: Der agile Reifegrad hängt eng zusammen mit der Kernzeremonie der Agilität: Agile Retrospektiven (mehr zu der Grafik in „Retros sind überflüssig? 7 Tipps„).
Echometer ist ein Software-Tool, mit dem du Agility Health Checks vornehmen kannst – mit dem Schwerpunkt auf Agiler Kultur & Psychologie. Dabei kannst du sowohl auf Führungsebene als auch auf Teamebene die Agilität über validierte KPIs messen – und gleich dazu in agilen Retrospektiven reflektieren.
Das bringt erkenntnisreiche Diskussionen hervor, aus denen du passende Action Items generieren kannst, um die Unternehmenskultur und die Arbeitsprozesse agiler zu gestalten sowie mehr Transparenz auf der Führungsebene zu schaffen. Wie genau Echometer funktioniert, erklären wir dir auf dieser knackigen Website.
Grundsätzlich kannst du dir in unserem Tool flexibel dein eigenes Reifegradmodell zusammenstellen – mehr dazu auch in unserem Agile Health Check Baukasten, der den ersten Schritt erläutert.
Falls du direkt einmal eine Health Check Retro machen möchtest, kannst du hier zum Beispiel unsere Teamgeist Retro direkt ohne Login öffnen und mit deinem Team online durchführen.
Hinweis: Bei diesem Format wird die Zustimmung zu den Health Check-Items auf einer Skala abgefragt.
- Wertschätzung: Wir wertschätzen die Leistungen und Beiträge unserer Kolleg*innen.
- Teamgeist: In unserem Team herrscht ein vertrauensvolles Arbeitsklima.
- Transparenz: In meinem Team weiß jede*r, wer gerade an was arbeitet.
- Erholung & Pausen: Ich habe genug Raum für Pausen, in denen ich neue Energie schöpfen kann.
- Meeting-Kultur: Unsere Meetings sind gut strukturiert und lassen trotzdem Raum für Kreativität und Neues.
- Unterstützung: In meinem Team gibt jedes Teammitglied sein individuelles Wissen und seine Erfahrungen weiter.
Agilen Reifegrad in der Praxis messen
Die hier vorgestellten Modelle deuten es bereits an: Um den agilen Reifegrad zu messen, musst du vor allem Daten von deinen Mitarbeitern und Teams erheben. Um diese Daten zu stützen, kannst du zudem zusätzlich Beobachtungen durchführen und diese selbst oder von Experten bewerten lassen.
Daneben kannst du auch wichtige Daten aus Projektmanagement-Tools wie Jira gewinnen. Diese geben automatisiert Daten über Throughput und Velocity aus, die du für die Bewertung des agilen Reifegrads verwenden kannst. Dabei musst du jedoch vorsichtig sein. Denn: Metriken aus Projektmanagement-Tools kannst du nur für einzelne Teams oder Projekte verwenden. Du kannst damit nicht die Leistung in Projekten oder von Teams miteinander vergleichen.
Um dir einen ersten Eindruck zu verschaffen, wie die Datenerhebung in der Praxis aussehen kann, haben wir dir ein kurzes Agile Maturity Assessment zusammengestellt. Dies zeigt dir, mit welchen Fragen Echometer beispielsweise arbeitet, um die Agilität in deinem Unternehmen zu bewerten und zu fördern.
Agile Maturity Assessment Survey
Stell dich unserem kurzen Agile Maturity Assessment Survey und mach dir ein erstes Bild, wie agil deine Organisation arbeitet:
Fragen zu agilen Werten
1) Kann jedes Teammitglied frei und unabhängig über seine Commitments entscheiden?
2) Sind alle Teammitglieder offen für konstruktives Feedback?
Fragen zum Team
1) Fühlst du dich als vollwertiges Mitglied deines Teams?
2) Feiert ihr in deinem Team Erfolge gemeinsam?
Fragen zur Kundenorientierung
1) Plant ihr eure Sprints so, dass Kunden einen möglichst hohen Nutzen daraus ziehen können?
2) Teilt ihr euren Arbeitsfortschritt früh mit euren Stakeholdern, um möglichst früh Feedback zu bekommen?
Fragen zum Vertrauen
1) Würdest du das Arbeitsklima in deinem Team als vertrauensvoll beschreiben?
2) Kannst du autonom Entscheidungen bei deinen Aufgaben treffen?
Dies sind tatsächlich durchweg Fragen, die aus dem Echometer Tool stammen. Bei Echometer werden die entsprechenden Fragen als Aussagen präsentiert, auf der man auf einer Skala von 1 bis 7 die eigene Zustimmung angibt. Dies sieht im Tool so aus.
Wenn dir diese Herangehensweise gefällt, kannst du die folgende Health Check Retro direkt öffnen und in eurer nächsten agilen Retrospektive reflektieren:
Hinweis: Bei diesem Format wird die Zustimmung zu den Health Check-Items auf einer Skala abgefragt.
- Mut: Wir wertschätzen es, wenn jemand Mut beweist.
- Respekt: Wir wertschätzen gegenseitig unsere Ideen, auch wenn wir anderer Meinung sind.
- Commitment: Jedes Teammitglied ist bemüht, Versprechen einzuhalten.
- Fokus: Wir lassen uns nicht davon ablenken, das Sprint-Ziel zu verfolgen.
- Offenheit: Wir sind offen für konstruktives Feedback und können daran wachsen.
Wie können Unternehmen den agilen Reifegrad fördern?
Sobald du einen guten Eindruck hast, wie agil dein Unternehmen arbeitet, weißt du, wo du ansetzen kannst, um die Agilität weiter zu steigern. Unsere Erfahrung hat uns gezeigt, wo Unternehmen in der Regel besonders viel Handlungsbedarf haben. Wir haben daher 5 grundlegende Leitlinien geschaffen, die dich den agilen Reifegrad in deiner Organisation steigern lassen:
1. Schaff eine Kultur des Vertrauens!
Für eine Kultur des Vertrauens benötigst du in deiner Organisation eine Arbeitsumgebung, die auf Transparenz und Dialog basiert. Das gelingt vor allem, wenn dein Unternehmen
- starre Hierarchien abschafft,
- Mitarbeiter autonomer arbeiten lässt und
- optimierte Kommunikationswege herstellt, die einen ständigen Informationsfluss zulassen.
2. Identifiziere Führungspersönlichkeiten für die Umsetzung agiler Methoden
Manager und Teamleiter spielen eine entscheidende Rolle, wenn Organisationen die agile Arbeitsweise einführen wollen. Denn: Sie bilden die Brücke zwischen Führungsetage und Teams. Sie sind daher dafür verantwortlich, Vertrauen, Autonomie und Motivation von Mitarbeitern zu steigern.
Um dafür die passenden Köpfe zu finden, musst du die Mitarbeiter identifizieren, die innovativ denken, neue Routinen und Ansätze testen und eine positive und offene Arbeitsplatzkultur vorleben.
Besonders geeignet sind dafür sind zwei Führungstypen, und zwar „Aktive Innovatoren“ und „Optimisten“. Das fand die Agilitätsstudie von Ricker & Pütz über eine Clusteranalyse unterschiedlicher Persönlichkeitstypen von Mitarbeitenden in Bezug auf ihr Niveau der Anpassungsfähigkeit heraus. Aus wissenschaftlicher Sicht kann man an der Validität dieses er-Konstrukts zweifeln. Trotzdem gibt es interessante Gedankenanstäße:
Aktive Innovatoren
- freuen sich auf Herausforderungen,
- denken lösungsorientiert,
- hinterfragen neue Kundenbedürfnisse und
- begeistern sich für disruptive Geschäftsmodelle.
Optimisten
- verfügen über ein Bewusstsein für nötige Veränderungen,
- analysieren Kundenbedürfnisse,
- lernen aus Fehlern,
- kommunizieren transparent und
- schätzen einen Erfahrungsaustausch.
3. Hol alle mit ins Boot!
Für die agile Transformation benötigst du alle in einem Boot. Damit alle an einem Strang ziehen, solltest du immer wieder das Vertrauen im Unternehmen stärken und Mitarbeiter regelmäßig dazu ermutigen, eigene Ideen einzubringen. Das funktioniert vor allem, wenn du sie aktiv nach ihrer eigenen Meinung fragst.
4. Schaffe eine positive Feedback-Kultur!
Agil zu sein heißt, schnell auf Probleme und Fehler sowie auf neue Kundenwünsche zu reagieren. Dafür musst du diese jedoch erst einmal aufdecken. Das gelingt dir nur, wenn du regelmäßig Feedback von deinen Mitarbeitern einholst und ihnen konstruktive, positive Rückmeldungen gibst. Nur dann verlieren sie die Angst, autonomer zu arbeiten und potenzielle Probleme und Fehler zu melden, aber auch Innovationen zu äußern.
5. Schaff kreative und innovative Arbeitsräume!
Damit Mitarbeiter innovativ und konzentriert arbeiten können, benötigen sie eine Umgebung, in der sie sich wohlfühlen und sich jederzeit mit Kollegen austauschen können. Das gelingt dir über aufgelockerte Sitzordnungen, die eine entspannte Meeting-Atmosphäre für einen persönlichen Austausch schaffen.
Wenn du noch nach einem geeigneten Retro Board Ausschau hältst (mit 60+ Retro Methoden), kann dir übrigens unser Artikel weiterhelfen mit dem Thema: Die besten Retro Boards im Vergleich.
Fazit
Agilität führt dich mit deinem Team in die Champions League. Effiziente Arbeitsprozesse und eine vertrauensvolle Unternehmenskultur schaffen dabei hochqualitative Ergebnisse. Mit einem agilen Reifegradmodell kannst du bestimmen, wie agil Kultur und Prozesse in deinem Unternehmen bereits fortgeschritten sind.
Um die agile Transformation in deinem Unternehmen weiter voranzutreiben, kannst du auch einen Blick in unser kostenloses eBook werfen. Darin findest du 12 Team-Workshops aus psychologischer Perspektive, die deine Organisation effektiv weiterentwickeln. Schau gerne mal rein!