Eine agile Arbeitsweise ermöglicht es Unternehmen, schneller bessere Produkte zu entwickeln. Das macht Mitarbeiter und Kunden zufriedener. Viele große Firmen wie Miele und C&A haben daher bereits teilweise oder sogar ganz auf Agile umgestellt. Viele weitere planen derzeit, agiles Arbeiten in ihrer Organisation einzuführen.
Die größte Herausforderung dabei ist der Kulturwandel im Unternehmen. Das gaben 70 Prozent in einer Studie von McKinsey an. Sie wissen nicht, wie sie eine agile Kultur formulieren und diese mit Leben füllen können. Es ist daher kein Wunder, dass es nur die wenigsten Unternehmen schaffen, eine agile Arbeitskultur einzuführen. Das fand der jährlich erscheinende 14th State of Agile Report 2020 heraus.
Ich zeige dir im Detail, welche Zutaten du benötigst, um in deiner Organisation eine agile Kultur aufzubauen. Dabei erkläre ich dir, welche Prinzipien eine agile Arbeitskultur ausmachen und wie du diese Schritt für Schritt auf allen Ebenen im Unternehmen fest verankerst.
Was ist eine agile Kultur?
Eine allgemeingültige Definition agiler Kultur gibt es nicht. Dennoch greifen alle Ansätze eine ähnliche Bedeutung auf: Eine agile Kultur stellt eine flexible und innovative Zusammenarbeit in den Mittelpunkt. Dafür richtet sie die Denkweise und Prozesse darauf aus, Mehrwerte für den Kunden zu schaffen.
Um das zu erreichen, reduziert eine agile Arbeitskultur Faktoren wie Autokratie, Kontrolle und Bürokratie auf ein Minimum. Das bedeutet für die Praxis: Agile Kultur verlagert die Entscheidungsfindung auf die unteren Ebenen einer Organisation. Einzelne Teams übernehmen die Verantwortung für Geschäftsergebnisse. Dafür lernen sie, widerstands- und anpassungsfähig mit komplexen Aufgaben, Unsicherheiten und Veränderungen umzugehen.
Diese 6 Prinzipien machen eine agile Kultur aus
Eine agile Kultur sorgt dafür, dass Mindset, Verhalten und Prozesse im Unternehmen voll und ganz auf diese Prinzipien ausgerichtet sind:
Purpose: Mitarbeiter stehen hinter der Vision des Unternehmens – und erleben ihre Arbeit deshalb als sinnvoll. Sie leben die Werte ihres Arbeitgebers authentisch. Das wirkt sich sowohl auf ihr Handeln im Unternehmen als auch auf den Kontakt mit externen Partnern aus. Und: Mitarbeiter wissen, wie sie mit ihrem Engagement dazu beitragen, dass die Organisation ihre Ziele erreicht.
Vertrauen und Transparenz: Führungskräfte leben eine offene und auf Feedback ausgelegte Kommunikation und Arbeitsweise. Dabei teilen sie proaktiv Wissen und Ressourcen. Sie schaffen so eine positive Kultur, in der jeder seine Meinung offen und ehrlich äußern kann. Das erzeugt psychologische Sicherheit.
Offene Fehlerkultur: Mitarbeiter können Fehler offen ansprechen. Teams fokussieren sich dann auf die Ursache der Fehler – und nicht auf die Suche nach Schuldigen. Das hilft, frühzeitig Probleme oder unproduktive Vorgehensweisen aufzudecken.
Innovation und Lernbereitschaft: Eine agile Kultur ist jederzeit auch eine agile Lernkultur. Das heißt: Unternehmen ermutigen ihre Mitarbeiter, über den Tellerrand zu schauen und nach innovativen Ideen zu suchen. Organisationen benötigen dafür ein Umfeld, in dem Scheitern als Chance erkannt wird, zu lernen – und am Ende bessere Ergebnisse zu erzielen.
Anpassungsfähigkeit: Die Transformation hin zu einer agilen Kultur verlangt, dass Unternehmen proaktiv auf Veränderungen im Geschäftsumfeld reagieren. In der Praxis nehmen sie so schnell neue Ideen an und prüfen, ob diese durchführbar sind. Mitarbeiter haben dabei die Befugnis, in angemessenem Umfang Risiken einzugehen.
Fokus auf Kundenmehrwert: Mindset und Prozesse im Unternehmen sind so ausgerichtet, dass am Ende für Kunden ein hoher Mehrwert herauskommt. Daher steht bei jedem agilen Verhalten der Kundennutzen im Mittelpunkt.
Wie kannst du einen agile Kulturwandel in deinem Unternehmen etablieren?
Eine agile Kultur im Unternehmen aufzubauen, ist ein komplexer Prozess, der Zeit benötigt. Er lässt sich in 5 wesentliche Schritte herunterbrechen:
1. Entwirf eine Vision!
Um eine agile Kultur wie bei Spotify oder Netflix zu entwickeln, musst du genau wissen, wo du mit deinem Unternehmen stehst und wo du hinwillst. Dazu kannst du beispielsweise drei bis fünf Denk- und Verhaltensweisen definieren, die du ändern willst. Such dir dabei die heraus, die wahrscheinlich den größten Unterschied bei der Erzielung von Geschäftsergebnissen ausmachen würden. Damit du eine Idee bekommst: McKinsey hat in der oben genannten Studie mögliche Denk- und Verhaltensweisen, die Unternehmen ändern können, erarbeitet:
Für den Weg zwischen Start und Ziel benötigst du eine Vision. Diese solltest du zu Anfang möglichst kurz und knapp formulieren. Sie dient dir als Richtschnur für die weitere Entwicklung. Dabei sollte die Vision kein starres Konzept sein, an dem du dich entlanghangelst. Vielmehr benötigst du ein flexibles Konstrukt, das du mit der Zeit immer wieder anpasst und optimierst. So stellst du sicher, dass du stets geradeaus auf deine gesteckten Ziele zuläufst.
Auf diese Art und Weise hat auch Netflix seine agile Kultur aufgebaut. Das Unternehmen entwickelte ein Cultural Deck mit dem Titel „Freedom & Responsibility“, in dem es alle wichtigen agilen Denkweisen festhielt.
2. Beginne mit einer Gruppe von Auserwählten!
Du kannst nicht von Anfang an mit deinem gesamten Unternehmen an der agilen Transformation arbeiten. Stattdessen solltest du mit einer Gruppe beginnen, die aus für das Management nicht offensichtlich sichtbaren Personen besteht. Du benötigst Meinungsführer, die den Wandel hin zu einer agilen Kultur unterstützen. Dabei reicht es aus, wenn du einen Leader an Bord hast, der dir vertraut und Budget zur Verfügung stellt.
Das Telekommunikationsunternehmen Spark, das über gut 5.000 Mitarbeiter verfügt, begann seinen Kulturwandel beispielsweise mit einer Gruppe von 70 Freiwilligen. Diese machten es sich am Anfang zur Aufgabe, die Akzeptanz und das Verständnis für den Kulturwandel im Unternehmen zu fördern.
3. Mach es persönlich!
Damit der Wandel hin zu einer agilen Entwicklungskultur für Mitarbeiter persönlich bedeutsam wird, musst du diesen von einer organisatorischen auf eine persönliche Ebene bringen. Das bedeutet: Mitarbeiter benötigen Raum, um für sich zu definieren, was eine agile Kultur für sie ist und wie diese funktionieren kann. Nur so erhalten sie einen Bezug zur agilen Kultur.
Dieser wird je nach Persönlichkeit und Position im Unternehmen unterschiedlich ausfallen. Entscheidend ist jedoch, dass Mitarbeiter die Idee für eine agile Kultur aufnehmen und für sich bestimmen. Teilen sie dann ihre persönlichen Erfahrungen und Probleme mit anderen, kann eine Transformationsdynamik entstehen und so Transformationsenergie freisetzen. Das beschleunigt die Entstehung einer agilen Kultur enorm.
Dieser Prozess sollte jedoch nicht ausschließlich Top-Down ablaufen. Er sollte sowohl von oben als auch von unten starten. Der Leadership im Unternehmen fungiert dabei lediglich als Coach für die Teams und stellt Ressourcen bereit. Auf diese Weise können Teams ihre Ziele und ihre Herangehensweise finden. Die agile Kultur kann so organisch wachsen.
4. Gestalte die Architektur der agilen Kultur!
Du hast es jetzt geschafft, ein Verständnis für die agile Denkweise in den Köpfen von Mitarbeitern zu erzeugen. Um diese zu manifestieren, benötigst du eine Architektur der agilen Kultur. Für diese musst du Strukturen, Prozesse und Technologien so umgestalten, dass sie die Verhaltenserwartungen unterstützen.
Dabei können dir agile Frameworks wie Scrum, Kanban, oder im skalierten agilen Kontext auch das Scaled Agile Framework SAFe helfen. Du musst dich jedoch nicht für ein einziges Framework entscheiden. Du kannst dir verschiedene Teile von verschiedenen Frameworks heraussuchen und diese kombinieren. Es ist einzig und allein wichtig, dass du ein individuelles Framework bildest, das zu deiner Organisation passt.
Um die richtigen Bestandteile für dein Framework zu wählen, musst du die Pain Points und die Ziele deiner Organisation kennen. Nur mit diesem Wissen kannst du die richtigen Elemente auswählen. Und: Die Frameworks müssen zum Value Stream deiner Organisation passen und den Kundennutzen steigern.
5. Überwache und lerne!
Eine agile Kultur wird nicht von heute auf morgen in deiner Organisation implementiert sein. Und: Stell dich darauf ein, dass ihr bei der Suche nach einer passenden Kultur Fehler machen werdet. Das ist jedoch wichtig, um zu lernen und die Kultur weiter in die für euch richtige Richtung zu entwickeln. Dabei wird es Teams geben, die die neue Denk- und Verhaltensweise schnell umsetzen können. Andere Teams werden Zeit benötigen, sich auf die neue Arbeitsweise einzustellen. Das macht jedoch nichts. Der Lernprozess ist elementar, um die Kultur weiter zu stärken.
Um euren Fortschritt zu überwachen und zu bewerten, kannst du regelmäßig Retrospektiven durchführen. Diese zeigen dir, wo die agile Kultur bereits gut funktioniert und wo besonders stark nachjustiert werden muss.
„If you adopt only one agile practice, let it be retrospectives. Everything else will follow“
Woody Zuill (Agile Pioneer & Evangelist)
Die ING Diba, einer der Vorreiter agiler Arbeitsweise im Bankwesen, hat dafür die Qualität ihrer Tracking-Maßnahmen und die daraus resultierenden Erkenntnisse immer wieder untersucht. Dafür zog das Unternehmen unter anderem die INSEAD-Wirtschaftsprofessorin Maria Guadalupe hinzu – genau diesen Anspruch muss man haben.
Fazit
Die agile Transformation ist eine Herausforderung, bei der Unternehmen alle Pfeiler ihrer Organisation innovieren müssen. Besonders wichtig ist dabei die Schaffung einer agilen Kultur. Erst mit dieser können Unternehmen ihre elementaren Strukturen, Prozesse und Technologie so verändern, dass sie tatsächlich auf allen Ebenen agil arbeiten.
Um dich bei der Schaffung einer agilen Kultur zu unterstützen, haben wir ein kleines, kostenloses Agile Cultural Training entwickelt, das insbesondere aus Best Practices von internationalen Experten im Videoformat besteht. Dies zeigt dir ausführlich, wie du die agile Denk- und Verhaltensweise in deiner Organisation implementierst – schau gerne mal rein!