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Wir nutzen Holokratie als Organisationsform – und warum Startups ihre Sicht auf Hierarchien hinterfragen sollten

Die Reise eines Start-ups von einer Idee bis hin zu einem Team mit Dutzenden von Mitarbeitenden ist aufregend und voller Herausforderungen. Vor allem, wenn es um Organisationsstrukturen und Hierarchien geht. In diesem Artikel möchten wir unsere Beobachtungen aus diesem Prozess teilen und erklären, warum wir uns für Holokratie entschieden haben.

Sind Start-ups wirklich hierarchiefrei?

Gerade junge Start-ups behaupten oft, hierarchiefreie Räume zu sein, und Gründer*innen machen sich über ihre Freunde in anderen Unternehmen lustig, wenn sie von hierarchischen Unternehmensstrukturen erzählen. Nun, ihr solltet besser aufhören zu lachen, denn die Chancen sind hoch, dass ihr ähnlich hierarchisch seid – nur weniger strukturiert.

Wir alle haben schon Geschichten über die brillanten Gründer*innen gehört, die innerhalb von ein paar Jahren quasi ganz alleine ein Unternehmen aus dem Nichts geschaffen haben. Wir halten das für Blödsinn. Um erfolgreich zu sein, braucht es ein leistungsfähiges Team und nicht nur diesen einen, genialen Kopf. Das Verbreiten von Mythen über geniale Gründer*innen verleitet immer wieder dazu, dass frische Gründer*innen das Gefühl haben, sie müssten jede Entscheidung in ihrem Unternehmen selber treffen, um so ihre „Genialität“ zu beweisen.

Ein*e Gründer*in ist per Definition der*die erste Mitarbeitende und hat daher mehr Hintergrundwissen als jede*r neue Mitarbeitende. Gleichzeitig sind die Gründer*innen für die Gestaltung der Vision verantwortlich. Das führt dazu, dass einige Gründer*innen glauben, dass sie die einzige Person sind, die Entscheidungen treffen kann.

Die Gründer*innen als Engpass

Die Folge eines solchen Denkens: Sobald das Team wächst, werden die Gründer*innen zum Engpass in der Organisation. Wenige bis keine Mitarbeitende fühlen sich psychologisch sicher genug, um selbst Entscheidungen zu treffen. Und wenn Mitarbeitende doch Entscheidungen treffen, werden sie nicht selten von den Gründer*innen überstimmt.

Herzlichen Glückwunsch, ihr habt gerade eine Organisation geschaffen, die im Grunde genauso hierarchisch und schwerfällig ist wie die Konzerne, über die ihr sonst lacht. Sicher, ihr habt keine formalen Hierarchien, aber das Ergebnis ist so ziemlich dasselbe.

Struktur, auch Hierarchie, ist nicht per se schlecht

Sich bewusst zu machen, ein Teil des Problems zu sein, ist ein wichtiger erster Schritt. Wenn Gründer*innen ihre Arbeitsweise und Entscheidungsprozesse reflektieren, werden sie mit Sicherheit Situationen finden, in denen sie der Engpass waren – uns eingeschlossen.

Was ist also eine Lösung für dieses Problem? Nun, es gibt viele Möglichkeiten, Organisationen zu strukturieren. Ein großer Fehler wäre es, zu behaupten: „Wir sind ein Startup, wir brauchen keine Struktur oder Hierarchie.“ Dieser Ansatz schließt eine Menge nützlicher Strukturen von vorne herein aus, die eure Teams sehr wohl befähigen und Teil einer Lösung sein könnten.

Bei Echometer haben wir viel über organisatorische Rahmenwerke recherchiert und fanden ein Modell besonders attraktiv: Holokratie.

Was ist Holokratie?

  • Holokratie ist eine Organisationsform, die 2007 aus der Soziokratie-Bewegung hervorgegangen ist.
  • Anstelle von Teams in einem Organigramm arbeiten Personen bei Holokratie in sich iterativ weiterentwickelten Rollen, wobei eine Person auch mehrere Rollen innehaben kann.
  • Das HolacracyOne-Team um die Gründer Brian Robertson und Tom Thomison hat eine Holokratie-Konstitution entwickelt, die als Grundlage für die Implementierung in Unternehmen dient.
  • Ziel ist es, die Agilität einer Organisation zu erhöhen, indem die Komplexität des unternehmerischen Umfeldes in der Organisationsform gespiegelt wird. So können die bei Veränderungen notwendigen Entscheidungen dezentral jeweils in den Rollen getroffen werden.
  • Fun Fact: Die Inspiration zur Soziokratie (und damit auch Holokratie) stammt aus Beobachtungen in der Natur, genau genommen vom Tintenfisch (bei Interesse siehe TED Talk).

Warum wir uns bei Echometer für Holokratie entschieden haben

Steve Jobs sagte einmal: „Es hat keinen Sinn, schlaue Leute einzustellen und ihnen zu sagen, was sie tun sollen; wir stellen Leute ein, damit sie uns sagen, was wir tun sollen.“

Wir waren auf der Suche nach einem Organisationsmodell, das genau diesen Gedanken aufgreift. Wir wollten sicherstellen, dass jede*r Mitarbeitende den Zweck und die Verantwortlichkeiten seiner*ihrer Rolle versteht. Das Verständnis ihrer Rolle ermächtigt Mitarbeitende, ein Großteil der alltäglichen Entscheidungen selber zu treffen – ohne eine*n der Gründer*innen ständig um Erlaubnis bitten zu müssen.

Wir fanden heraus, dass Holokratie (in seinem Kern) genau das ermöglicht: Klare, sich ständig weiterentwickelnde Rollen mit einem klaren Ziel und Entscheidungsfreiräumen.

Christian, als der Psychologe in unserem Gründungsteam, hatte zuvor in dem Buch Reinventing organizations von Fréderic Laloux über Holokratie gelesen. Christian bestätigte, dass das Konzept von Holokratie so ziemlich das ist, was Laloux und andere Psycholog*innen als die nächste Evolutionsphase von Organisationen prognostizieren: Selbstorganisierte, sogenannte türkise (teal) Organisationen. Das klingt genau nach dem, was wir uns vorgestellt haben.

Wie unterscheidet sich Holokratie von klassischen hierarchischen Organisationen?

Holokratie ist kein einfacher Weg

Bevor wir Holokratie implementierten, sprachen wir mit Raidboxes, einem befreundeten Startup aus Münster, welches Holokratie bereits seit ein paar Jahren einsetzt. Nachdem ich Johannes‘ Erfahrungsbericht gehört hatte, war ich positiv beeindruckt und vielleicht auch ein wenig überstürzt: „OK, das klingt einfach. Ich schreibe einfach eine Liste von Rollen mit ihrem Zweck und ihren Verantwortlichkeiten, und wir sind fertig.“

Nun, leider ist es ganz so einfach nicht. Während die Implementierung von Holokratie einige “low hanging fruits” bieten mag, ist es eine Reise, zu der sich ein Team verpflichten muss. Für uns bedeutete das, dass Robin die Rolle des „internen Holokratie-Gurus“ übernahm und die neuen Strukturen und Meeting-Formate vorbereitete, die es zu implementieren galt.

Das Team reagierte unterschiedlich euphorisch auf die stark strukturierten Meeting-Formate, die wir von nun an verwenden würden. Bei der umfassenden Holokratie-Konstitution waren wir alle zunächst ein wenig überwältigt von neuen Konzepten wie “tactical meeting”, “tension”, “triage” – um nur die Wörter zu nennen, die mit T beginnen.

Jetzt, rund vier Monate nach Beginn der Implementierung, sind wir als Team zuversichtlich auf dem richtigen Weg zu sein. Wir haben viel Zeit investiert, um die Meeting-Formate zu verstehen und gewinnbringend einzusetzen.

Holokratie als Investition in die Agilität der Organisation

Gleichzeitig wollen wir den Aufwand nicht verschweigen, der auch fortlaufend mit Holokratie verbunden ist: Jede*r neue Mitarbeitende wird seine*ihre Zeit brauchen, um sich an das Format zu gewöhnen und darin aufzugehen. 

Wir glauben, dass sich dieser Aufwand lohnt – vielleicht nicht jetzt, aber mittel- und langfristig dafür umso mehr. Als unser Team bei der Einführung aus noch sieben Leuten bestand, erschien Holokratie noch etwas groß für uns. Viele der Probleme, die Holokratie löst, konnten wir aufgrund der kleinen Teamgröße nur erahnen. Aber im Hinblick auf die nahe Zukunft, wenn wir auf 12, 30 oder 100 Leute wachsen, wird Holokratie die Skalierbarkeit unserer Organisation sicherstellen, was für uns der Grund war, möglichst früh zu starten. Wir hatten bei anderen Start-ups von den Wachstumsschmerzen gehört, die beim Skalieren auftreten, und wollten bestmöglich darauf vorbereitet sein. Daher war es für uns ein gutes Zeichen, dass auch zum Beispiel Europace (auch einer unserer Kunden bei Echometer) Holokratie seit Jahren erfolgreich mit >200 Mitarbeitenden nutzt.

Die Organisationsform proaktiv weiterentwickeln

Wir glauben, es ist ein Fehler, die eigenen Arbeitsweise erst dann weiterzuentwickeln, wenn die Probleme offensichtlich werden. Stattdessen solltet ihr darüber nachdenken, wo euer Team morgen sein wird. So könnt ihr Veränderungen einleiten, schon bevor sie dringend benötigt werden. In größeren Unternehmen ist das frühzeitige Handeln eine größere Herausforderung. Nicht umsonst beginnt Kotter’s Change Management-Modell mit „Create Urgency“ als Schritt, in dem man den „Leidensdruck“ für Teams sichtbar macht, um die Bereitschaft zur Veränderung zu schaffen. Start-ups hingegen sollten den Anspruch haben, antizipativer und agiler zu handeln!

Frühzeitig den ersten Schritt zu mehr Agilität gehen

Die ständige Neubewertung unserer Organisationsstruktur ist ein Kernbestandteil von Holokratie und agilen Arbeitsweisen im Allgemeinen. Die Formate, die die Holokratie dafür bereitstellt, sind sehr stringent und effizient. 

Gleichzeitig fokussieren sich die Formate aus Holokratie stark auf die formale, organisatorische Struktur eines Unternehmens. Etwas zu kurz kommt da aus unserer Sicht das Zwischenmenschliche. Dabei ist das Zwischenmenschliche gerade in Transformationsphasen extrem wichtig. Deshalb sind Retrospektiven (kurz „Retros“) für uns als Startup in einem sich ständig ändernden Umfeld von unschätzbarem Wert. 

In unseren Team Retros teilen wir wöchentlich unsere persönlichen Eindrücke, Reflexionen und Sorgen. Das daraus resultierende gemeinsame Verständnis und Teamgefühl ist ein weiterer Baustein für erfolgreiches agiles Arbeiten. 

Woody Zuill (Agile Evangelist) drückt es in einem Tweet sehr schön aus:

"If you adopt only one agile practice, let it be retrospectives. Everything else will follow"
Woody Zuill
Agile Pioneer & Evangelist

Team-Retros in Transformations- & Wachstumsphasen nutzen

Auch wegen dieser Erfahrung sind wir stolz, mit Echometer ein Tool für Retrospektiven zu entwickeln, das Organisationen hilft, Teams ans Steuer von Veränderungsprozessen zu setzen und dabei die Bedürfnisse und Ideen der Teammitglieder in den Mittelpunkt zu stellen. 

Wenn ihr Teil einer (agilen) Transformation seit, wird es sich lohnen, eine Online-Demo bei Echometer zu buchen.

👉 Deine Meinung ist gefragt: Hierarchien & Organisationsstrukturen in Startups

Was ist deine Meinung zu Hierarchien in jungen Startups, Scale-Ups und Corporates? Gibt es weitere Frameworks, die wir kennenlernen sollten? Hast du Holokratie selbst erlebt und aus dieser Erfahrung Tipps, die du mit uns teilen kannst?

Wir freuen uns auf deine Kommentare – zum Beispiel via LinkedIn!

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