In ihrem Buch “Mulitpliers – how the best leaders make everyone smarter” (erschienen 2010) beschreibt die Forscherin und Beraterin Liz Wiseman ein Modell, um positives wie negatives Verhalten von Führungskräften und Teammitgliedern zu klassifizieren und hat damit den Begriff „Accidental Diminisher“ geprägt. In diesem Artikel fassen wir die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Modell für euch zusammen.
“A leader is best
When people barely know he exists;
Of a good leader, who talks little,
When his work is done, his aim fulfilled,
They will say, ‘We did this ourselves.’”
—Lao Tzu, Tao Te Ching
Habt ihr schon einmal mit einer Person zusammengearbeitet, die euch geradezu beflügelt und dazu gebracht hat, über euch hinauszuwachsen? Klasse, wenn ihr diese Frage mit Ja beantworten könnt – dann seid ihr nämlich mit einem “Multiplier” in Berührung gekommen.
Multiplier sind Führungskräfte, die ihre Mitarbeiter befähigen und mental stärken, sodass diese an sich selbst glauben und letztendlich bessere Leistungen erbringen.
Das Gegenteil von Multipliern sind “Diminisher”. Diese Art von Führungskraft lässt Mitarbeiter an ihrer eigenen Intelligenz und Fähigkeit zweifeln und nimmt sich selbst häufig etwas zu wichtig.
Das Problem der unbewussten Verhaltensweisen oder “Accidental Diminisher”
Man könnte jetzt argumentieren, dass doch die wenigsten Führungskräfte ein so extremes Verhalten zeigen, dass man sie wirklich als Diminisher einstufen würde. Richtig? Jein.
Das Ganze lässt sich sehr schön an einer Grafik von der US-amerikanischen Autorin Liz Whiteman erkennen, die das Konzept der Multipliers und Diminishers entwickelt hat.
Die hier gezeigte Normalverteilung verdeutlicht, dass bewusste Diminisher nur einen sehr kleinen Anteil an Führungskräften ausmachen. Viel relevanter dagegen sind die “Accidental Diminisher”, als Personen, denen ihr kontraproduktives Verhalten gar nicht bewusst ist und die ihren Führungsstil in bester Absicht entwickelt haben.
Wie etwa Liz Wiseman im Podcast mit Monkhouse & Company selber sagt:
“Etwa zwei Drittel des negativen Verhaltens, das wir sehen, geschieht mit den besten Absichten.”
—Liz Wiseman, Autorin von “Multipliers – how the best leaders make everyone smarter”
Um nicht selber auch in diese Falle zu tappen, lohnt sich ein Blick auf diese häufigsten, unbewusst auftretenden negativen Verhaltensweisen.
Die häufigsten Accidental Diminisher-Typen erklärt
Im Folgenden werden wir die häufigsten Typen der “Accidental Diminisher” vorstellen und damit vielleicht auch ein wenig zur Selbstreflexion anregen.
1. Der Optimist
Der Optimist hat die gute Absicht, das Team immer glauben zu lassen, dass alles geschafft werden kann. Was ist problematisch daran? Mitarbeiter haben das Gefühl, die Führungskraft schätzt ihre Anstrengung nicht wert und lässt keinen Raum fürs Scheitern. Was kann man dagegen tun? Optimisten sollten ihren Mitarbeitern zeigen, dass ihnen bewusst ist, wie hart die Arbeit sein kann und dass Erfolg nicht garantiert ist.
2. Der Retter
Der Retter versucht stets sicherzustellen, dass seine Mitarbeiter erfolgreich sind und und einen guten Ruf haben. Was ist problematisch daran? Mitarbeiter werden abhängig von der Führungskraft, was sich ironischerweise negativ auf ihren Ruf auswirkt. Was kann man dagegen tun? Retter sollten daran denken, dass Mitarbeiter, wenn sie mit einem Problem zu ihnen kommen, vielleicht schon selbst eine Lösung im Kopf haben und sie danach fragen, anstatt direkt selbst Problemlöser zu spielen.
3. Der Schnellantworter
Der Schnellantworter hat das Ziel, die Organisation schnell voranzubringen. Was ist problematisch daran? Die Organisation bewegt sich in Realität nur langsam vorwärts, weil ein Stau an Entscheidungen und Änderungen entsteht. Was kann man dagegen tun? Schnellantworter sollten eine bestimmte Zeit (z.B. 24 Stunden) warten, bis sie auf Emails antworten, die in den Aufgabenbereich jemand anderes fallen, sodass die jeweilige Person die Möglichkeit hat als erstes zu reagieren.
4. Der Ideen-Typ
Der Ideen-Typ hat die gute Absicht, mit seinen Ideen seine Mitarbeiter zu Ideen anzuregen. Was ist problematisch daran? Die Mitarbeiter sind überfordert von all den Ideen, was dazu führt, dass sie entweder dicht machen oder zu viel Zeit damit verbringen, die Idee des Tages zu verfolgen. Was kann man dagegen tun? Ideen-Typen sollten sich bei jeder neuen Idee fragen, ob sie möchten, dass ihre Mitarbeiter sofort anfangen daran zu arbeiten. Falls nicht, sollten sie die Idee erst später einbringen.
4. Der Tempomacher
Der Tempomacher prescht nach vorn, indem er hohe Standards für Qualität oder Geschwindkeit setzt. Was ist problematisch daran? Mitarbeiter werden zu Zuschauern oder geben auf, wenn sie merken, dass sie den Standards nicht gerecht werden. Was kann man dagegen tun? Tempomacher sollten sich regelmäßig daran erinnern, dass sie in Sichtweite bleiben sollten, damit andere nicht aufgeben oder verloren gehen.
5. “Always on”
Der “Always on”-Typ versucht ständig Enthusiasmus zu versprühen und deine Sicht der Dinge mitzuteilen. Was ist problematisch daran? Er beansprucht den ganzen Raum für sich, sodass die Mitarbeiter ihn irgendwann ignorieren. Was kann man dagegen tun? “Always On”-Typen sollten Gedanken nur einmal – anstatt wiederholt – äußern und direkt einen Grund mitliefern, wieso die Mitarbeiter davon überzeugt sein sollten.
6. Der Beschützer
Der Beschützer versucht seine Mitarbeiter vor Machtspielen in der Organisation zu schützen. Was ist problematisch daran? Die Mitarbeiter lernen nicht für sich selbst zu kämpfen. Was kann man dagegen tun? Beschützer sollten ihre Mitarbeiter unbequemen Situationen in kleinen Mengen aussetzen, sodass diese von ihren Fehlern lernen und Widerstandskraft aufbauen können.
7. Der Stratege
Der Stratege hat das Ziel, einen überzeugenden Grund zu finden, wieso das Team über den “Status quo” hinausgehen sollte. Was ist problematisch daran? Die Mitarbeiter versuchen keine eigenen Lösungen zu finden, entweder weil sie sich zu sehr auf den Strategen verlassen, oder weil sie ihn zu sehr hinterfragen. Was kann man dagegen tun? Strategen sollten nicht alle offenen Fragen selbst beantworten, sondern z.B. das “Warum” und “Was” definieren und das Team für das “Wie” verantwortlich sein lassen.
8. Der Perfektionist
Der Perfektionist strebt danach, seinen Mitarbeitern dabei zu helfen herausragende Arbeit zu leisten, auf die sie stolz sind. Was ist problematisch daran? Die Mitarbeiter fühlen sich kiritisiert, werden entmutigt und hören auf, es selbst zu versuchen. Was kann man dagegen tun? Perfektionisten sollten von vornherein klare Standards setzen, sodass die Mitarbeiter wissen, was genau “herausragend” und was “vollendet” bedeutet. Anhand dieser Kriterien können sich die Mitarbeiter dann selbst bewerten.
Wie wird man vom Accidental Diminisher ein Multiplier?
Die Selbst- und Fremdwahrnehmung von Führungskräften weicht häufig voneinander ab. Möglicherweise merken sie gar nicht, dass sie zu einem der oben beschriebenen Typen tendieren. Um Führungskräften dabei zu helfen, ihr Führungsverhalten besser zu verstehen, ist die Etablierung von 360-Grad-Feedback eine Idee.
360-Grad Feedback ist ein Kernelement für sowohl die Führungskräfte- als auch Mitarbeiterentwicklung. Du möchtest 360º-Feedback im eigenen Team ausprobieren? Geht ganz einfach mit Echometer.
Findet man sich dann in einem der “Diminisher”-Typen wieder, helfen diese drei Schritte dabei, zu einem Multiplier zu werden:
- Höre auf Antworten zu geben und stelle stattdessen Fragen.
Durch die richtigen Fragen sorgst du dafür, dass Leute innehalten und nachdenken, sodass sie selbst zur Antwort kommen, ohne dass du sie ihnen präsentieren musst.
- Versprühe deine Ideen in kleinen Mengen.
Indem du nicht alle Ideen auf einmal, sondern verteilt, los wirst, gibst du anderen mehr Raum über deine Ideen nachzudenken.
- Erwarte vollständige Arbeit.
Indem du deinen Mitarbeitern zeigst, dass sie für ihre Arbeit verantwortlich sind, lernen sie am besten. Anstatt die Arbeit anderer zu korrigieren, stelle klar, was verbessert werden sollte. Ermutige andere, nicht nur Probleme, sondern auch Lösungen zu finden.
Kritik am Konzept der Multiplier & Accidental Diminisher
Auf den ersten Blick erscheint die Unterteilung in Multiplier und Diminisher einleuchtend und insbesondere die versehentlichen Diminisher wie eine bahnbrechende Entdeckung. Allerdings stellt sich die Frage, ob das Ganze so schwarz-weiß gesehen werden kann. Muss man beispielsweise seinen Optimismus wirklich komplett aufgeben, um eine gute Führungskraft zu sein?
Zudem fehlt dem Ansatz ein wissenschaftlicher Beleg. Wie bei anderen Versuchen, Teamrollen zu definieren, wie beispielsweise nach Belbin, kann man wohl davon ausgehen, dass sie nicht als psychometrisches Instrument geeignet sind. Vielmehr stellen sie eine intuitive Methode dar, um Verhaltensweisen von Teammitgliedern oder Führungskräften zu reflektieren und damit die Teamarbeit zu verbessern.
Letztendlich ist es bei diesen Typen wie mit Persönlichkeitseigenschaften: Wir befinden uns alle irgendwo auf einem Spektrum und das Stecken in Schubladen ist wenig hilfreich – solange man versucht, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen, sich zu reflektieren und Teammitglieder zu “empowern”, sollte man auf einem guten Wege sein.